Die Kieler Förde - Leseprobe
»Kiel?« Mit mindestens drei is, damit man das Entsetzen raushört. »Kiiiel? Das ist doch die Stadt mit dem Kopfsteinpflaster.«
Eine Gemeinheit, so was. Sicherlich gibt es in Kiel auch heute noch Straßen, die sich ihr Kopfsteinpflaster bewahren konnten. Aber ist das ein Makel? Trutschig, klein, zurückgeblieben? Oder eher eine Besonderheit? Wir konnten uns eben unsere Ursprünglichkeit bewahren.
Am ursprünglichsten ist nicht unser Kopfsteinpflaster, sondern die Förde. Deshalb denkt auch, wer an Kiel denkt, in erster Linie an die Förde. Wir haben nämlich einen Fjord. Welche deutsche Stadt kann das schon von sich sagen? Da fällt mir auf Anhieb eigentlich nur Eckerförde ein. Eckernförde mit seiner Eckernförder Förde. So ein bisschen wie Fischers Fritz mit seinen frischen Fischen.
Kiel heißt auf Altdeutsch übrigens Fjord, sagt man zumindest. Also ist die Kieler Förde so ein bisschen ein weißer Schimmel. Aber das nur nebenbei.
Die Kieler Förde ist bummelig 17 Kilometer lang, schlängelt sich in Nord-Süd-Richtung durchs Wasser und endet in Kiel, genauer gesagt an der Hörn, noch genauer an einer Spundwand. Wer’s nicht glaubt, kann mal nachschauen auf einem kleinen Spaziergang vom Hauptbahnhof zur Halle 400, einer ehemaligen Schiffbau-Halle von HDW und jetzigem Steaklokal mit Amüsieranstalt.
Wo die Förde aufhört, ist also verhältnismäßig einfach festzustellen. Wo sie anfängt ist dagegen schon schwieriger. Manche machen es sich einfach und sagen: sie beginnt am Kieler Leuchtturm. Andere bemühen die rotweiße Ansteuerungstonne Kieler Förde, an der die Betonnung für das Fahrwasser beginnt. Wieder andere klammern sich an die Leuchttonne KO 1/1, die den Beginn des Verkehrstrennungsgebietes anzeigt. Ab hier darf man nämlich nicht mehr kreuz und quer über die Ostsee schippern, ab hier gilt das Rechtsfahrgebot. Wohlgemerkt rechts, wir sind in Deutschland.