Kieler Sprotte - Leseprobe

 

Trotz der Tatsache, dass für Behörden sechs Wochen wie ein Tag vergehen, ein Standesamt ebenso wie ein alter Mann kein D-Zug ist und gut Ding Weile haben will und – um noch eins draufzusetzen - trotz aller Parkplatzprobleme: Im Herbst ist Schnuckiputzis Scheidung und Neuverheiratung mit Martha über die Bühne. Gerade noch rechtzeitig vor seiner Pensionierung.

Wie bitte? Was hat denn Schnuckis Heirat mit seiner Pensionierung zu tun, fragst du? Ja siehst du, jetzt kommt die „nachgeheiratete Witwe“ ins Spiel, ein Ausdruck, von dem du vielleicht denkst, dass er nur einem Beamtengehirn entsprungen sein kann, womit du wahrscheinlich recht hast.

Früher, also damals, in der guten alten Zeit, da konnte ein pensionierter Beamter auf seine alten Tage noch mal so ein junges Ding heiraten und damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Er hatte was fürs Auge und vielleicht sogar noch fürs Bett – das war die eine Fliege –, und im Falle eines Falles hatte er eine private Krankenschwester – das war die andere. Die junge Gattin pflegte ihn gern, winkte doch als Lohn für all die Müh und Plag dank der Witwenpension ein zukünftig sorgenfreies Leben. Sollte der pensionierte Beamte sich nicht recht entscheiden können, noch einmal in den heiligen Stand der Ehe zu treten, dann hatte er früher selbst auf dem Sterbebett noch die Möglichkeit dazu – sozusagen auf den allerletzten Drücker. Dann drückten sich Standsbeamter und Pastor gegenseitig die Klinke in die Hand, der eine für die Hochzeit, der andere zur letzten Ölung. Die Flitterwochen fielen allerdings meist flach.

 

Ja, so war das damals.

Heute kann der Pensionär natürlich auch noch das junge Ding heiraten, aber es nützt nichts mehr, zumindest ihr nicht. Da hat Vater Staat einen Riegel vorgeschoben. Witwenpension gibt es nur noch, wenn der Beamte noch sozusagen zu Lebzeiten, also beamtet, heiratet, nicht als Pensionär. Und für Rentner natürlich genau dasselbe. Ist den jungen Dingern in aller Regel zu gefährlich. Denk an den Witz, wo die auch nicht mehr ganz junge Frau den Methusalem fragt: »Sollten wir nicht endlich heiraten?«, und er antwortet: »Du hast recht. Aber wer nimmt uns denn jetzt noch?«

Wie gesagt, früher mit Kusshand vom Fleck weg geheiratet, aber heute – ab ins Altersheim. Wenn man darüber lange genug nachdenkt, erkennt man die Mängel dieses Systems in ihrem ganzen tragischen Ausmaß. Statt dieses herrlichen Tu felix Austria nube bevölkern heutzutage junge Leute das Arbeitsamt, während die Alten- und Pflegeheime aus allen Nähten platzen.

 

Ist halt nicht mehr so rosig wie früher. Aber unsere Martha – alles rechtzeitig in trockenen Tüchern.